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Dokument 52001AB0036

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 16. November 2001 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (KOM(2001) 280 endg.) (CON/2001/36)

ABl. C 344 vom 6.12.2001, S. 4–7 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52001AB0036

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 16. November 2001 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (KOM(2001) 280 endg.) (CON/2001/36)

Amtsblatt Nr. C 344 vom 06/12/2001 S. 0004 - 0007


Stellungnahme der Europäischen Zentralbank

vom 16. November 2001

auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (KOM(2001) 280 endg.)

(CON/2001/36)

(2001/C 344/05)

1. Am 5. Juli 2001 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (KOM(2001) 280 endg.; nachfolgend als der "Richtlinienvorschlag" bezeichnet) ersucht.

2. Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 105 Absatz 4 erster Gedankenstrich des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nachfolgend als der "Vertrag" bezeichnet), da der Richtlinienvorschlag ein wesentliches Instrument zur Wahrung der Integrität der Finanzmärkte der Gemeinschaft und zur Stärkung des Vertrauens der Anleger in diese Märkte ist und da er Bestimmungen enthält, die sich auf die Emission von Wertpapieren durch die EZB auswirken. Darüber hinaus stellt die EZB fest, dass Artikel 105 Absatz 1 des Vertrags und Artikel 2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank vorsehen, dass das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft unterstützt. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der EZB vom EZB-Rat verabschiedet.

3. Das Hauptziel des Richtlinienvorschlags ist die Einführung eines "Europäischen Passes" für Emittenten, die Wertpapiere innerhalb der Europäischen Union anbieten. Der Richtlinienvorschlag bietet die Möglichkeit, Wertpapiere nach einfacher Notifizierung des von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats genehmigten Prospekts anzubieten oder zum Handel zuzulassen. Zu diesem Zweck führt der Richtlinienvorschlag die notwendige Harmonisierung der auf öffentliche Angebote anwendbaren Bestimmungen und der im Prospekt enthaltenen Informationen herbei und gewährleistet dadurch einen gemeinschaftsweit einheitlichen Anlegerschutz. Die im Rahmen des Richtlinienvorschlages eingeführten Offenlegungsnormen entsprechen den internationalen Standards für das öffentliche Angebot von Wertpapieren und deren Zulassung zum Handel.

4. Die EZB begrüßt und unterstützt grundsätzlich die im Richtlinienvorschlag verfolgten Zielsetzungen, da sie den Vorschlag als ein wirksames Mittel zur Förderung der Integration der europäischen Finanzmärkte ansieht. Die Entwicklungen der Finanzmärkte sind für das Eurosystem von großer Bedeutung. Das vorrangige Ziel des Eurosystems, die Gewährleistung der Preisstabilität, erfordert eine reibungslose Transmission der geldpolitischen Impulse im gesamten Euro-Währungsgebiet durch integrierte und effiziente Finanzmärkte. Die Wertpapiermärkte spielen in dieser Hinsicht gemeinsam mit dem unbesicherten Geldmarkt und dem Bankensektor eine Schlüsselrolle. Eine gewisse Segmentierung der Finanzmärkte innerhalb des Zuständigkeitsgebiets einer Zentralbank stellt kein ungewöhnliches Phänomen dar. Hindernisse für die Integration der Wertpapiermärkte im Euro-Währungsgebiet könnten jedoch die Transmission von geldpolitischen Impulsen an die Wirtschaft verlangsamen oder verzerren. Darüber hinaus sieht der Vertrag vor, dass das Eurosystem zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft beiträgt, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist. Ein vorrangiges Ziel der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. In dieser Hinsicht erweist sich die Einführung einer einheitlichen Währung als starker auslösender Faktor, der bewirkt, dass der Zugang zu Kredit- und Anlagemöglichkeiten erleichtert wird. Letztlich führt dies zu einer Verbesserung der Fähigkeit der Emittenten zur EU-weiten Kapitalaufnahme, da im gesamten Euro-Währungsgebiet die Finanzierungskosten gesenkt werden und der Einsatz der finanziellen Ressourcen verbessert wird. Daher liegt es im Interesse des Eurosystems, dass die Vorteile der WWU nicht durch Hindernisse bei der Integration der Wertpapiermärkte geschmälert werden.

5. Grundsätzlich können effiziente und integrierte Wertpapiermärkte in der EU das Wirtschaftswachstum erleichtern und die Kosten der Kapitalaufnahme senken. Darüber hinaus werden liquidere europäische Wertpapiermärkte entstehen, die mehr Anlagen und ebenso mehr Emittenten aus Drittländern anziehen. Der Richtlinienvorschlag wird mit der Einführung eines "Europäischen Passes" den Marktzugang für die Kapitalaufnahme in der EU verbessern und bestehende Hindernisse für das grenzüberschreitende Wertpapierangebot beseitigen. Dank der neuen Sprachregelung für das Angebot und die Zulassung zum Handel in mehreren Ländern werden Übersetzungskosten deutlich gesenkt. Die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften wird erleichtert, da die Aufnahmemitgliedstaaten nicht mehr die Einhaltung zusätzlicher nationaler Bestimmungen verlangen können. Hierdurch dürfte die Kapitalaufnahme für Unternehmen jeder Größe leichter und preiswerter werden. Die Einführung einheitlicher, verbesserter und den internationalen Standards entsprechender Offenlegungsnormen für das öffentliche Angebot von Wertpapieren und deren Zulassung zum Handel dürfte das Vertrauen der Anleger stärken, insbesondere im Hinblick auf EU-weite Anlagen. Ein hohes Maß an Offenlegung ist jedoch gegen die Notwendigkeit eines effizienten Emissionsverfahrens abzuwägen, in dem die Kosten verhältnismäßig zur Größe des emittierenden Unternehmens und zur Art der emittierten Wertpapiere sind. Standardisierte, leicht zugängliche und regelmäßig aktualisierte Informationen werden die Grundlage verbessern und erweitern, auf der Anleger fundierte Entscheidungen treffen können. Durch die positiven Auswirkungen des Richtlinienvorschlags sowohl für Emittenten als auch für Anleger wird sich die Liquidität und Effizienz der Finanzmärkte erhöhen und deren Funktion der effizienten Kapitalallokation gestärkt. Darüber hinaus ist die EZB der Ansicht, dass eine verbesserte Offenlegung durch die Emittenten die Auswahl neuer Anlageprojekte durch die Anleger begünstigt und Informationsungleichgewichte verringert, was wiederum die Marktliquidität erhöht. Die EZB stellt ferner fest, dass die vorstehend genannten Vorteile sich im Grunde aus jeder Verbesserung der Unternehmenspublizität ergeben. In dieser Hinsicht stellt die EZB fest, dass der Europäische Rat von Lissabon darauf gedrungen hat, Schritte zur Verbesserung der Qualität und Vergleichbarkeit der Publizität von börsennotierten Unternehmen zu unternehmen, und dass die Kommission bereits eine Reihe von neuen Initiativen ins Leben gerufen hat, die darauf abzielen, eine neue EU-Regelung über Offenlegungspflichten auszuarbeiten.

6. Die EZB begrüßt die vorgeschlagene Harmonisierung der Definition des öffentlichen Angebots, wodurch unterschiedliche Auslegungen der Gemeinschaftsvorschriften vermieden und ein einheitlicher Anlegerschutz in der gesamten EU sichergestellt wird. Die EZB stellt fest, dass in Artikel 3 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags die von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts ausgenommenen Angebote als solche Angebote definiert werden, die sich entweder an qualifizierte Anleger für deren Rechnung oder an einen beschränkten Personenkreis richten oder Wertpapiere betreffen, die lediglich ab einem Mindestbetrag von 150000 EUR pro Anleger erworben werden können. In diesem Zusammenhang begrüßt die EZB, dass das Komitologieverfahren auf die Klarstellung und Anpassung der Ausnahmeregelungen Anwendung findet, um das erforderliche Maß an Flexibilität zu gewährleisten. Darüber hinaus stellt die EZB fest, dass die Definition der qualifizierten Anleger auch die EZB und die Zentralbanken der Mitgliedstaaten erfassen sollte.

7. Die EZB begrüßt, dass der Richtlinienvorschlag - wie vom Ausschuss der Weisen empfohlen - die Anwendung des Komitologieverfahrens vorsieht. Im Anschluss an die Zustimmung zur Entschließung des Europäischen Rates von Stockholm im März 2001 zielt die neue Vorgehensweise darauf ab, die Wertpapiergesetzgebung der Europäischen Union effektiver und transparenter zu gestalten, und erlaubt damit eine angemessene und zeitnahe Reaktion auf dynamische Marktentwicklungen. Grundsätzlich ist die EZB der Auffassung, dass bei der Anwendung des Komitologieverfahrens im Rahmen der Regulierung des Wertpapiermarktes die beratende Funktion, die der EZB durch den Vertrag zugewiesen wird, im Rechtssetzungsverfahren berücksichtigt werden sollte. Insbesondere stellt die EZB fest, dass es zur Klarstellung der Anwendung des Verfahrens ratsam erscheint, in Artikel 22 Absatz 2 erneut die dem Komitologieverfahren unterliegenden Artikel anzuführen, oder zumindest alle Durchführungsmaßnahmen, auf die das Komitologieverfahren Anwendung findet, in einem gesonderten Artikel zusammenzufassen.

8. Die EZB stellt fest, dass sich Artikel 6 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags auf die Arbeit der "International Organisation of Securities Commission" (IOSCO) bezieht, indem er vorsieht, dass die von der Kommission im Rahmen des Komitologieverfahrens erlassenen Vorschriften über die in den Prospekt aufzunehmenden Informationen, soweit möglich und angemessen, den von der IOSCO ausgearbeiteten Informationsanforderungen genügen müssen. Die EZB begrüßt das Ziel, das europäische Wertpapierrecht den IOSCO-Standards anzupassen. Die Übernahme international akzeptierter Grundsätze wie jene von der IOSCO verabschiedeten würde zu einer Konvergenz der internationalen Finanzsysteme im Hinblick auf harmonisiertere Regelungen im Bereich der Wertpapierpublizität führen. Die EZB stellt auch fest, dass gemäß Artikel 18 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags die Einhaltung der IOSCO-Standards eine notwendige Voraussetzung für die mitgliedstaatliche Genehmigung eines Prospekts ist, der für ein Angebot oder eine Zulassung zum Handel in einem Drittland erstellt wurde.

9. Darüber hinaus ist die EZB der Ansicht, dass größere Klarheit in Bezug auf den Anwendungsbereich der Richtlinie erlangt werden könnte, wenn ein Bezug zu bestehenden internationalen und europäischen Standards wie etwa dem ESVG 1995 hergestellt wird. Dies betrifft insbesondere die Definition des Begriffs "Wertpapiere" und die Bestimmung des "Sektors" des Emittenten. Obwohl in Artikel 2 des Richtlinienvorschlags der Begriff "Wertpapiere" definiert wird, ist eine weitere Ausarbeitung erforderlich, um eine einheitliche Definition der Wertpapiere zu erhalten, in der auch Schuldverschreibungen und Aktienwerte berücksichtigt werden. Die im ESVG 1995 enthaltenen Definitionen könnten möglicherweise als Ausgangspunkt dienen. Schließlich nimmt die EZB zur Kenntnis, dass der Richtlinienvorschlag für Emittenten gilt, außer unter anderem für Mitgliedstaaten und bestimmte internationale Organisationen. Es wäre wünschenswert klarzustellen, welche Wirtschaftssubjekte in den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags fallen, oder umgekehrt festzulegen, welche davon ausgenommen sind. Die Definitionen im ESVG 1995 könnten hier wiederum als Leitlinien verwendet werden.

10. Die EZB begrüßt, dass die von der EZB emittierten Wertpapiere vom Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags ausgeschlossen sind. Sie möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass diese Ausnahme für die reibungslose Durchführung der einheitlichen Geldpolitik des Eurosystems unerlässlich ist. Die einheitliche Geldpolitik beruht auf einer Reihe verschiedener Instrumente, unter anderem EZB-Schuldverschreibungen, die mit dem Ziel emittiert werden können, die strukturelle Position des Eurosystems gegenüber dem Finanzsektor gemäß Abschnitt 3.3 der Allgemeinen Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, November 2000 (Anhang I der Leitlinie EZB/2000/7 vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems)(1) so zu beeinflussen, dass am Markt ein Liquiditätsbedarf herbeigeführt oder vergrößert wird. Da nach dem Vertrag die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik des Eurosystems zur ausschließlichen Kompetenz der Beschlussorgane der EZB gehört, sollten die zur Erfuellung dieser Aufgabe erforderlichen Instrumente möglichst reibungslos und frei von rechtlichen und operationellen Hindernissen verwendet werden können. Folglich wird das notwendige Maß an Transparenz der für die vom Eurosystem emittierten Wertpapiere geltenden Bedingungen durch die Veröffentlichung der anwendbaren Rechtsdokumentation sichergestellt (die vorstehend genannte Richtlinie EZB/2000/7 ebenso wie die entsprechende Rechtsdokumentation der nationalen Zentralbanken). Jedes zusätzliche Formerfordernis könnte die Fähigkeit des Eurosystems beeinträchtigen, schnell und flexibel auf Finanzmarktentwicklungen zu reagieren. Im Hinblick auf vorstehende Erwägungen sollte Artikel 1 des Richtlinienvorschlags die nationalen Zentralbanken ebenso vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließen.

11. Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass es wünschenswert erscheint, im Richtlinienvorschlag die auf öffentliche Angebote für von Kreditinstituten emittierten Schuldverschreibungen anwendbaren Regelungen klarzustellen. Im Hinblick auf solche Intermediäre ist zu berücksichtigen, dass die Kapitalaufnahme bei der Öffentlichkeit durch Emission von Schuldtiteln zu ihren von Zulassung erfassten Tätigkeiten gehört und dass diese Intermediäre zum Schutz der Sparer der Aufsicht und besonderen Transparenzanforderungen unterliegen. Aus diesem Grunde könnte erwogen werden, die Bestimmung in der geltenden Richtlinie beizubehalten, wonach Mitgliedstaaten Kreditinstitute von der Verpflichtung zur Prospektveröffentlichung freistellen können, wenn Letztere Schuldverschreibungen oder sonstige übertragbare Wertpapiere, die Schuldverschreibungen gleichzustellen sind, fortlaufend oder wiederholt ausgeben.

12. Die EZB befürwortet das Erfordernis, wonach der Emissions-Prospekt der Öffentlichkeit auf den Websites der zuständigen nationalen Behörden in elektronischer Form zur Verfügung stehen muss. Die Informationen sollten auf Anforderung jedem Wertpapierinhaber oder potentiellem Wertpapierinhaber unmittelbar zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang möchte die EZB die Bedeutung der Gewährleistung zeitnaher Veröffentlichungen und Aktualisierungen hervorheben und daher vorschlagen, einen Mindestzeitrahmen zur Veröffentlichung des Prospekts vor Emission des Wertpapiers vorzusehen. In Bezug auf die in Artikel 12 Absatz 7 des Richtlinienvorschlags genannten detaillierten technischen Vorschriften schlägt die EZB vor, diese um die Meldung der Prospekte zu erweitern (zusätzlich zur Veröffentlichung und Verfügbarkeit).

13. Die EZB stellt fest, dass nach Artikel 19 jeder Mitgliedstaat verpflichtet ist, die zuständige Behörde zu benennen, welche die durch den Richtlinienvorschlag eingeführten Aufgaben zu erfuellen hat, wobei in dieser Bestimmung die der zuständigen Behörde verliehenen Befugnisse aufgezählt werden. In der Begründung des Richtlinienvorschlags weist die Kommission auf die Notwendigkeit hin, die Unabhängigkeit der zuständigen Behörden sicherzustellen, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Die EZB stellt fest, dass die Vermeidung von Interessenkonflikten dadurch an Bedeutung gewinnen wird, dass immer mehr Börsen in gewinnorientierte Rechtssubjekte umgewandelt werden, während sie weiterhin mit Börsenzulassungen und bestimmten öffentlichen Funktionen betraut bleiben, wie etwa der förmlichen Genehmigung der Prospekte. Demnach besteht die Notwendigkeit, angemessene Aufsichtsinstrumente zu entwickeln, um potentielle Interessenkonflikte aufzugreifen und zu lösen, die sich aus dem sich ändernden Charakter der Börsen ergeben.

14. Die EZB ist der Ansicht, dass der Richtlinienvorschlag einen breiteren Anwendungsbereich für die Zusammenarbeit in Aufsichtsfragen vorsehen könnte. Der Richtlinienvorschlag erwähnt lediglich die Zusammenarbeit zwischen den "zuständigen Behörden" der Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaaten im Aufsichtsbereich im Sinne des Richtlinienvorschlags. Insbesondere ist im Richtlinienvorschlag nicht die Möglichkeit oder Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden im Aufsichtsbereich nach dem Richtlinienvorschlag und den zuständigen Behörden im Bereich der Aufsicht über die aufsichtspflichtigen Rechtssubjekte (Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Wertpapierfirmen und eventuell auch gemeinsame Vermögensverwaltungen) vorgesehen. Die EZB empfiehlt, den Nutzen einer Vorschrift zu erwägen, welche die Möglichkeit oder sogar die Verpflichtung zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden im Sinne des Richtlinienvorschlags und den mit der Aufsicht über die aufsichtspflichtigen Rechtssubjekte betrauten Behörden vorsehen. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den jeweiligen Aufsichtsbehörden kann beiden Funktionen zugute kommen. Aufsichtspflichtige Rechtssubjekte können gleichzeitig als "Emittent" (siehe Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d)), "Person, die ein Angebot unterbreitet" ("der Anbieter") (siehe Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e)) und als "Finanzinstitute, die mit der Abwicklung des öffentlichen Angebots betraut sind" (Artikel 21 Absatz 1) beteiligt sein. Wenn es bei Transaktionen in diesen Eigenschaften Anzeichen gibt, die auf ein Fehlverhalten hinweisen, könnte dies rufschädigend wirken oder die Angemessenheit der Managementabläufe eines durch eine zuständige Behörde beaufsichtigten Instituts in Frage stellen.

15. Die EZB stellt fest, dass es zwar dem allgemeinen Verständnis entspricht, dass zumindest einige beaufsichtigte Finanzunternehmen als "Finanzinstitute, die mit der Abwicklung des öffentlichen Angebots betraut sind" auftreten dürfen, dass es jedoch weniger eindeutig ist, wie diese in Artikel 21 des Richtlinienvorschlags enthaltene Definition mit den für diese Art von Dienstleistungen verwendeten Definitionen in den sektoralen Richtlinien in Einklang zu bringen ist. Die EZB schlägt vor, in Erwägung zu ziehen, soweit wie möglich harmonisierte Definitionen zu verwenden. In dieser Hinsicht könnte in Bezug auf den Richtlinienvorschlag klargestellt werden, ob von einem "Angebot von Wertpapieren an das Publikum" auch "Übernahmen" (underwriting) erfasst sind. Während nach dem Richtlinienvorschlag zu der Definition eines derartigen Angebots auch die "Platzierung der Wertpapiere durch Finanzintermediäre" zählt, unterscheidet die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (93/22/EWG)(2) in ihrem Anhang A Nummer 4 zwischen der "Übernahme (underwriting)" und der "Platzierung dieser Emissionen". Darüber hinaus wird in der kodifizierten Bankrechts-Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (2000/12/EG)(3) in der in Anhang 1 enthaltenen Liste der Tätigkeiten, die Gegenstand gegenseitiger Anerkennung sind, unter Nummer 8 die "Teilnahme an der Wertpapieremission und den diesbezüglichen Dienstleistungen" verwendet. Daher sieht die EZB auch unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie einen Nutzen darin, dasjenige, was das Anbieten und Platzieren von Wertpapieren im Sinne des Richtlinienvorschlags ausmacht, klarer zu bestimmen und stärker zu harmonisieren.

16. Diese Stellungnahme wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 16. November 2001.

Der Präsident der EZB

Willem F. Duisenberg

(1) ABl. L 310 vom 11.12.2000, S. 1.

(2) ABl. L 141 vom 11.6.1993, S. 27.

(3) ABl. L 126 vom 25.5.2000, S. 1.

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