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Distributed-Ledger-Technologie: Rolle und Bedeutung der EZB

Rede von Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der EZB,
anlässlich der 22. Handelsblatt Jahrestagung Banken-Technologie, 6. Dezember 2016

Einleitung

Gegenwärtig wird viel über die Digitalisierung diskutiert, über neue Technologien und über die Frage, wie sie das Bankgeschäft der Zukunft verändern könnten. Der Forscher und Wissenschaftler Roy Charles Amara sagte einmal: „Wir neigen dazu, die kurzfristigen Auswirkungen einer Technologie zu überschätzen und die langfristigen zu unterschätzen.“ Ein gutes Beispiel hierfür ist das Internet. Einige der kühneren Prognosen, die in der „Hype“-Phase aufgestellt wurden, sind nie eingetreten. Aber niemand kann bestreiten, dass das Internet auf eindrucksvolle Weise Einzug in unser tägliches Leben gehalten hat. Es hat die Art, wie wir kommunizieren und Informationen verarbeiten, grundlegend verändert. Und niemand weiß, was als nächstes kommt.

Ob wir die Distributed-Ledger-Technologie, kurz „DLT“, kurzfristig überschätzen und langfristig unterschätzen, bleibt abzuwarten. Es dürfte aber Einigkeit darüber herrschen, dass „DLT“ derzeit eine hohe Aufmerksamkeit genießt. Es wurde bereits viel über die möglichen Auswirkungen der DLT auf die Aufgaben und Dienstleistungen von Zentralbanken gesagt. Vor allem wurde die Frage diskutiert, ob die Notenbanken Zentralbankgeld mittels DLT verwalten sollten und ob es notwendig ist, eine digitale Währung auszugeben. Es ist daher an der Zeit, den Diskussionsrahmen etwas einzugrenzen. In meiner heutigen Rede möchte ich

  1. die Position der Europäischen Zentralbank (EZB) zur DLT darlegen,
  2. mögliche Szenarien für die Einführung der DLT erörtern und
  3. die globale Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken im Bereich DLT beleuchten.

Finanzinnovationen, die Marktinfrastrukturdienstleistungen verändern

Das Internet, Mobiltelefone und Tablets haben die Art und Weise verändert, wie wir kommunizieren, einkaufen und Informationen speichern – sie haben ganz klar unser Leben verändert. In der Finanzbranche vollzieht sich derzeit ein ähnlicher Wandel. Die Rede ist von FinTech, also Innovationen, aus denen neue Geschäftsmodelle oder Produkte hervorgehen könnten, die möglicherweise disruptive Folgen für den Finanzsektor haben. Die DLT bildet einen Schwerpunkt von FinTech. Die Chancen, die man mit dieser Technologie verbindet, sind der Hauptgrund, warum Marktteilnehmer, Anbieter von Marktinfrastrukturen und Zentralbanken sie erforschen.

Bei unseren Überlegungen zur DLT müssen wir bedenken, dass die möglichen Auswirkungen dieser Technologie davon abhängen, wie die Marktteilnehmer sie letztlich annehmen. Theoretisch sind drei Szenarien denkbar:

  1. Einzelne Marktteilnehmer versuchen, die DLT hauptsächlich zur Steigerung ihrer internen Effizienz zu nutzen. Dies hätte keine großen Auswirkungen auf das Finanzsystem.
  2. Eine Gruppe bedeutender Marktteilnehmer führt die DLT ein und erreicht eine kritische Masse, die die Umstellung ganzer Marktsegmente auf die DLT ermöglicht.
  3. Es entsteht eine Peer-to-Peer-Welt ohne Intermediäre. Dies wäre ein vergleichsweise extremes Szenario.

Bei vielen Diskussionen über die Vorteile der DLT wird das dritte Szenario zugrunde gelegt. Unseren Beobachtungen zufolge konzentrieren sich reale Anwendungsfälle für die DLT aber eher auf das erste und zweite.

Es besteht kein Zweifel, dass die Entwicklung bereits im Gange ist. Aus heutiger Sicht lässt sich jedoch schwer sagen, wie stark sich die DLT auf den Finanzsektor auswirken wird. Ebenso schwierig ist es abzuschätzen, wie lange es dauern wird, bis sich die Technologie durchsetzt. Manche gehen davon aus, dass die DLT in den nächsten fünf bis zehn Jahren erhebliche Auswirkungen auf das Finanzsystem haben wird. Ich will mich nicht an Spekulationen beteiligen, aber ich möchte doch betonen, dass die Implementierung einer DLT-Umgebung ein vielschichtiges Unterfangen ist. Bei der Einführung von „TARGET2-Securities“ hat sich gezeigt, dass funktionale, geschäftliche, rechtliche und regulatorische Aspekte ebenso wie Fragen der Harmonisierung und Governance von zentraler Bedeutung sind und umfassend berücksichtigt werden müssen.

Offenheit für Veränderungen in der Finanzmarktinfrastruktur

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Erforschung technischer Innovationen ganz oben auf der strategischen Agenda der EZB steht. Die EZB ist ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, wie sie die Effizienz ihrer Marktinfrastruktur verbessern und die damit verbundenen Kosten senken kann. Sie überlegt, wie sie am besten auf technische Neuerungen reagiert und Nutzen daraus zieht, wie sie den neuen Bedürfnissen der Nutzer bestmöglich Rechnung trägt und dabei Risiken wie dem Cyberrisiko vorausschauend begegnet. Die EZB arbeitet eng mit dem Markt zusammen, um das Liquiditätsmanagement in den Bereichen Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung und Sicherheitenverwaltung effizienter zu gestalten.

Ich möchte anhand von zwei Beispielen zeigen, wie sich die EZB Veränderungen stellt. Das Eurosystem, das aus der EZB und den nationalen Zentralbanken des Euroraums besteht, hat letztes Jahr die Abwicklungsplattform „TARGET2-Securities“, kurz „T2S“, eingeführt. Dieses System galt wie die DLT als bahnbrechend. T2S verändert die europäische Nachhandelslandschaft nicht nur dadurch, dass es eine integrierte Abwicklung von Wertpapiertransaktionen in Zentralbankgeld ermöglicht, sondern auch dadurch, dass es zu einer beispiellosen Harmonisierung im Nachhandel geführt hat. Zusammen mit TARGET2, der Zahlungsverkehrsplattform des Eurosystems, bildet T2S das Fundament der europäischen Finanzmärkte.

Mein zweites Beispiel betrifft die strategischen Überlegungen zur künftigen Marktinfrastruktur des Eurosystems. In drei Hauptbereichen haben wir mit den Untersuchungen begonnen:

  1. Konsolidierung von TARGET2 und T2S,
  2. Abwicklungsdienstleistungen für Echtzeitzahlungen und
  3. Sicherheitenverwaltungssystem im Eurosystem.

Die Arbeiten in den drei Bereichen sind eng miteinander verbunden und zielen darauf ab, das Liquiditätsmanagement in den Bereichen Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung und Sicherheitenverwaltung effizienter zu gestalten. Effizienz und Innovation sind die maßgeblichen Kriterien für die Entwicklung der künftigen Marktinfrastruktur.

Verwendung der DLT in Marktinfrastrukturen, die von den Zentralbanken betrieben werden

Es ist zu beachten, dass es nicht nur eine DLT gibt, sondern dass wir von einer Vielzahl verschiedener Lösungen sprechen, von denen einige auf die spezifischen Bedürfnisse der Finanzbranche zugeschnitten sind. Es gibt keine einheitliche Blockchain, die alles regelt. Die EZB hat eine Reihe von DLT-Modellen untersucht, die sich derzeit in der Entwicklung befinden. Sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: in der Art und Weise, wie Aktualisierungen validiert werden, in der Netzwerkarchitektur und den Zugangsberechtigungen, im Umfang des Datenaustauschs und der Datenreplikation sowie den kryptographischen Werkzeugen zur Sicherung der Datenintegrität. Bei der Implementierung gibt es noch einige Fragezeichen. Bevor über eine breite Einführung im Bereich Marktinfrastrukturdienstleistungen nachgedacht werden kann, sind wesentliche funktionale, operative und rechtliche Aspekte sowie Fragen der Leitungs- und Entscheidungsstrukturen sorgfältig abzuwägen. Da wir bei der technischen Entwicklung der DLT noch ziemlich am Anfang stehen, lässt sich noch nicht mit Gewissheit sagen, ob und wie die DLT das Finanzsystem verändern wird.

Es kann nicht oft genug betont werden, dass jede technologiebasierte Marktinfrastrukturdienstleistung reif genug sein muss, um den hohen Anforderungen an Sicherheit und Effizienz zu genügen. Die EZB nimmt diese Anforderungen sehr ernst – nicht nur in ihrer Rolle als Infrastrukturbetreiber, sondern auch als eine der europäischen Behörden, die über die Stabilität der Finanzmärkte wachen.

Daher erwägt die EZB im jetzigen Stadium nicht, ihre Marktinfrastruktur auf eine DLT-Lösung zu stützen.

Als Betreiber von TARGET2 und T2S bleibt sie jedoch offen für innovative Lösungen auf dem Gebiet der DLT und darüber hinaus. Voraussetzung ist, dass sich diese Technologien bewährt haben und von den Nutzern der Infrastruktur des Eurosystems angenommen werden. Vor diesem Hintergrund und da sich die DLT-Lösungen permanent weiterentwickeln, werden wir weiterhin prüfen, ob die Fortschritte bei den DLT-basierten Lösungen zu einem Dienstleistungsniveau führen könnten, das dem von TARGET2 und T2S entspricht oder dieses sogar übertrifft. Dies wird unter anderem anhand praktischer Anwendungsfälle geprüft. Anstatt dabei einem Grüne-Wiese-Ansatz zu folgen, konzentrieren wir uns auf konkrete Fragen wie: „Können die derzeitigen liquiditätssparenden Merkmale über sogenannte Smart Contracts angeboten werden?“

Die EZB möchte bei dieser Entwicklung eine Führungsrolle übernehmen und arbeitet dazu mit internationalen Partnern zusammen. Mit der Bank of Japan haben wir ein gemeinsames Forschungsprojekt vereinbart, bei dem der mögliche Einsatz der DLT in der Marktinfrastruktur untersucht wird. Die wichtigsten Erkenntnisse sollen nächstes Jahr veröffentlicht werden. Das Projekt wird Aufschluss darüber geben, wie neue Technologien das weltweite Finanzsystem verändern können, und dazu beitragen, dass die Zentralbanken angemessen vorbereitet sind.

Aber wir werden die Entwicklungen und Bedürfnisse im Markt natürlich im Auge behalten. Viele haben sich bereits über die Notwendigkeit der effizienten Nutzung von Zentralbankgeld in einer DLT-Umgebung geäußert. Es sind Ideen vorgebracht worden, und Marktteilnehmer entwickeln – teils in Zusammenarbeit mit Zentralbanken – allgemeine Konzepte dazu, wie die DLT-Welt mit Zentralbankgeld versorgt werden könnte.

Manche dieser Konzepte gehen offenkundig über den Gedanken hinaus, dass eine Zentralbank ihre Abwicklungsdienstleistungen über DLT bereitstellt; sie werden womöglich die heutige Rolle der Zentralbank als Infrastrukturbetreiber verändern oder gar infrage stellen.

Einige Ansätze weisen der Zentralbank die Rolle eines „Notars“ zu, der die im Umlauf befindliche Menge an Zentralbankgeld in einer DLT-Umgebung steuert. Andere sehen einen Treuhänder vor, der dafür sorgt, dass die im Umlauf befindlichen Werte in einer DLT-basierten Lösung vollständig mit einem entsprechenden Betrag an Zentralbankgeld unterlegt sind, das außerhalb des DLT-Umfelds gehalten wird.

Hier ist zunächst klarzustellen, dass eine Zahlung nur dann als Transaktion in Zentralbankgeld gilt, wenn der Begünstigte eine Forderung gegen die Zentralbank hat – entweder direkt oder in Form einer ausdrücklichen Verpflichtung der Zentralbank. Alles andere bleibt Geld der Geschäftsbanken, unabhängig von der verwendeten Technologie.

Je nachdem, wie die möglichen Lösungen für eine Verbuchung von Zentralbankgeld auf Distributed Ledgers ausgestaltet sind, berühren sie Fragen, die über funktionale, operative und rechtliche Aspekte der DLT hinausgehen. Sie tangieren Fragen zur Umsetzung der Geldpolitik und zur Rolle von Zentralbanken als Anbieter von Marktinfrastrukturen. Vor diesem Hintergrund muss das Eurosystem die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, soweit der Euro als Abwicklungswährung zugrunde gelegt wird.

Die Diskussion über Zentralbankgeld in der DLT ist eng verbunden mit der Frage, wer Zugang zu solchem Geld haben sollte. Es wäre möglich, Zentralbankgeld zur Abwicklung zwischen heutigen Inhabern von TARGET2-Konten auf einem Distributed Ledger auszugeben, ohne dass sich viel daran ändert, wie Zentralbanken ihre Funktionen ausüben. Aber unter dem Stichwort „digitale Zentralbankwährung“ wird vielfach ein breiterer Zugang diskutiert, möglicherweise gar für jedermann. Dadurch würde sich die Art und Weise ändern, wie Akteure an den Finanzmärkten miteinander interagieren, und das muss interdisziplinär erforscht werden. Wir beschäftigen uns beispielsweise mit folgenden Fragen: Welche Merkmale sollte eine digitale Währung aufweisen (inwieweit sollte sie Bargeld ähneln, etwa im Hinblick auf Anonymität)? Inwieweit sollte die Konvertierbarkeit der digitalen Zentralbankwährung in Einlagen bei Geschäftsbanken und Bargeld beschränkt werden, wenn überhaupt? (Wenn eine unbeschränkte Umwandlung möglich ist, könnte es schneller zu einem Ansturm auf die Banken kommen, der die Refinanzierungsbasis der Banken gefährdet.) Welche Auswirkungen hätte eine digitale Zentralbankwährung auf die Kosten der Banknotenherstellung und die Seigniorage? Wie würde sie sich auf die Transmission der Geldpolitik auswirken, und was würde dies für die geldpolitischen Maßnahmen und Sondermaßnahmen bedeuten?

Katalysator

Dies bringt mich zu meinem letzten Punkt. Die EZB wirkt neben ihrer Rolle als Betreiber von Marktinfrastrukturen auch als Katalysator für die Marktintegration in Europa.

Die Finanzmarktintegration steht auf der Agenda der EZB weit oben. Unsere beiden Plattformen – TARGET2 und T2S – haben erheblich zur Integration der Finanzmärkte beigetragen; sie sind ein wichtiger Eckpfeiler beim Aufbau einer Kapitalmarktunion nach den Plänen der Kommission. Wenn sich unterschiedliche DLT-Lösungen etablieren, besteht das Risiko einer Fragmentierung, bei der neue Silos entstehen. Es ist also unbedingt dafür zu sorgen, dass die entwickelten Dienstleistungen interoperabel sind. Dies betrifft nicht nur die Standardisierung auf technischer Ebene, sondern auch die Harmonisierung des geschäftlichen und rechtlichen Rahmens.

Konkret sehen wir drei Ebenen, auf denen eine Harmonisierung zur weiteren Integration der Finanzmärkte beitragen kann.

  • Die regulatorische und rechtliche Harmonisierung betrifft gemeinsame Vorschriften für die Bereitstellung von Dienstleistungen in den verschiedenen Ländern. Außerdem geht es darum, welche Implikationen geltende inländische Gesetze für Dritte haben können.
  • Die funktionale Harmonisierung betrifft die Vereinbarung gemeinsamer Regeln, die marktübergreifende Geschäfte ermöglichen – etwa Markt-Öffnungszeiten oder welche Informationen bei der Abwicklung von Transaktionen auszutauschen sind.
  • Die technische Harmonisierung betrifft die einzelnen Standards für die Durchführung von Prozessen, beispielsweise Nachrichtenformate.

Jede dieser drei Harmonisierungsebenen verlangt gemeinsame Anstrengungen verschiedener Institutionen. Die EZB wird in ihrer Rolle als Katalysator Innovationen vorantreiben, indem sie alle maßgeblichen Parteien einbindet. So unterstützt sie Veränderungen, die die Sicherheit und Effizienz der Finanzmärkte erhöhen. In diesem Zusammenhang wird sie eine Diskussion anstoßen, die darauf abzielt, dass mögliche DLT-basierte Lösungen – egal ob öffentlich oder privat betrieben – mit anderen Marktlösungen auf der Basis von DLT interoperabel sind. Wir sind überzeugt, dass alle künftigen Nutzer der Technologie davon profitieren werden; denn die Behörden und Marktteilnehmer sind sich einig darüber, dass das große Potenzial der DLT in ihrem Netzwerkeffekt liegt.

Darüber hinaus haben wir vor kurzem eine DLT-Arbeitsgruppe bei der EZB eingerichtet. Sie ist Teil des Projekts zur Harmonisierung des Nachhandels innerhalb des T2S-Steuerungsrahmens. Die Arbeitsgruppe soll die möglichen Auswirkungen der DLT auf die Harmonisierung untersuchen, und zwar sowohl aus T2S-Sicht als auch aus der breiteren europäischen Perspektive. Sie unterstützt andere T2S-Lenkungsgremien, die das Eurosystem in dieser Hinsicht beraten. Es ist ganz wichtig, dass die Arbeit im Kontext von T2S steht, weil dies eine aktive Zusammenarbeit mit dem Markt ermöglicht. Wenn wir in Abstimmung mit allen maßgeblichen Parteien zunächst die funktionale Harmonisierung vorantreiben, können wir sicherstellen, dass Innovationen eingeführt werden, die nachweislich sicher sind und die Marktintegration nicht beeinträchtigen. Es bleibt unser vorrangiges Ziel, die Integration zu fördern und eine Fragmentierung zu vermeiden.

Schlussbemerkungen

Neue Technologien werden tiefgreifende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Wir müssen diese Technologien erforschen, analysieren und testen. Nur dann können wir sicherstellen, dass die Marktinfrastruktur von morgen nicht nur effizient und innovativ ist, sondern auch sicher und robust bleibt. Die Erforschung des Potenzials neuer Technologien wie der DLT steht weit oben auf der strategischen Agenda der EZB.

Lassen Sie mich abschließend einige Kernpunkte zusammenfassen:

Die EZB hält neue Technologien zur Steigerung der Effizienz ihrer Marktinfrastruktur für unabdingbar. Es ist jedoch an der Zeit, die Diskussion einzugrenzen. Meiner Ansicht nach geht es bei der Frage nach dem Potenzial der DLT für Marktinfrastrukturen um zwei Grundkonzepte von Zentralbankgeld in der DLT:

  • Das erste Konzept befasst sich damit, ob Abwicklungsdienstleistungen einer Zentralbank in einer DLT-Umgebung bereitgestellt werden können. Gegenwärtig taugt die DLT noch nicht für den Massenbetrieb. Auch für den Einsatz in Marktinfrastrukturen der Zentralbank ist sie noch nicht ausgereift genug (wenn man die hohen Anforderungen an die Sicherheit und Effizienz bedenkt). Ihr künftiger Nutzen muss erforscht werden, und wir tun das anhand konkreter Anwendungsfälle (beispielsweise, indem wir untersuchen, ob die DLT die Anforderungen an die Dienstgüte von TARGET2 und T2S erfüllen kann). Neue Technologien machen nicht an Grenzen halt. Deshalb haben wir auch beschlossen, mit der japanischen Notenbank zusammenzuarbeiten und gemeinsam mit ihr die mögliche Nutzung der DLT für Zentralbankdienstleistungen im weiteren globalen Kontext zu erforschen.
  • Das zweite Konzept beleuchtet, wie eine Zentralbank Schnittstellen zu DLT-basierten Abwicklungsdienstleistungen betreiben könnte, die nicht notwendigerweise von der Zentralbank selbst bereitgestellt werden. Hier ist beispielsweise zu untersuchen, ob eine Zentralbank eine DLT-Umgebung mit Zentralbankgeld versorgen und die im Umlauf befindliche Menge an Zentralbankgeld steuern könnte. Oder ob zum Beispiel ein Treuhänder aus dem Privatsektor dafür sorgen könnte, dass die im Umlauf befindlichen Werte in einer DLT-basierten Lösung vollständig mit einem entsprechenden Betrag an Zentralbankgeld unterlegt sind, das außerhalb des DLT-Umfelds gehalten wird. Solche Konzepte könnten die bestehende Rolle der Zentralbank als Infrastrukturbetreiber verändern und die Durchführung der Geldpolitik beeinflussen. Sie müssen deshalb von den Mitgliedern des Eurosystems gemeinsam analysiert werden.

Wir erleben eine Entwicklung, die das Finanzsystem, wie wir es kennen, radikal verändern könnte. Die EZB ist entschlossen, Teil dieser Entwicklung zu sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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